Zentral dabei ist die Idee, die Geschichten der Bibel sinnlich im wörtlichen Verständnis zu erfahren.
Bibliodrama
Wie lerne ich eine Geschichte kennen? «Klar – indem ich zuhöre!» Wenn du so denkst, dann bist du schon mit der halben Wahrheit zufrieden. Im Bibliodrama erfährst du mehr.
Wie gesagt, zuhören ist nur die halbe Wahrheit. Wie oft haben wir schon Geschichten gehört und wieder vergessen. Und vielleicht ein zweites Mal gehört, und fast vergessen.
Vielleicht hast du selber als Kind die «Jona»-Kassetten hundert Mal gehört. Und innerlich muckst du auf, wenn dir jemand die biblische Geschichte eine Nuance anders erzählt.
Bei den biblischen Geschichten ist uns ja vermutlich immer nur ein kleiner Teil der Begebenheit schriftlich erhalten. Als Jesus aus Wasser Wein werden liess, wechselte er sicher mehr als drei Sätze mit seiner Mutter und den Knechten. Das waren höchstwahrscheinlich Dialoge. Oder als Josef von seinen Brüdern an die Zisterne geworfen und später an die Karawanenführer verkauft wurde, hatte sich Josef sehr wahrscheinlich mindestens verbal gewehrt – davon ist nirgends etwas festgehalten.
Um uns diesen «vorenthaltenen» Nebengeschichten zu nähern, bietet es sich gerade zu an, eine Entdeckungsreise zu machen. Gewissermassen «barfuss die Bibel zu entdecken». Also ohne Ballast und völlig ungeschützt.
Was will Bibliodrama?
Aus dem Bedürfnis heraus, die Weisheit biblischer Geschichten spielerisch und unter Einbezug eigener Erfahrungen zu erschliessen, entwickelte sich vor rund 20 Jahren diese Bewegung. Zentral dabei ist die Idee, die Geschichten der Bibel sinnlich im wörtlichen Verständnis zu erfahren.
Der meist auch in Jungschar, Sonntagsschule oder KIDS TREFF gewählte Weg vom Erzählen oder in Form von Anspiel oder Film vorgezeigten Weg ist im wahrsten Sinn des Wortes einseitig. Und damit schon fast zum Vergessen verurteilt. Im besten Fall wird der Zuhörer anschliessend durch Reflexion und/oder Spiel in Teile der Geschichte eingebunden. Die Geschichte bleibt aber in den allermeisten Fällen beim erzählten resp. gesehenen Inhalt.
Im Gegensatz dazu nimmt das Kind beim Bibliodrama direkt an der Geschichte teil. Damit eröffnet sich ein Zugang zu den biblischen Geschichten, der ganzheitlich ist und damit eine wesentlich längere «Halbwertszeit der Vergesslichkeit» aufweist.
Man kann ein Bibliodrama vielleicht am ehesten mit einem selber inszenierten Theaterstück vergleichen. Wobei die Unterschiede doch wieder gross sind. Im Theater ist der Ablauf durch den Regisseur mehr oder weniger vorgegeben. Hier bleibt der Verlauf offen. Eigentlich handelt es sich bei dieser Methode nur um eine stark erlebnisorientierte Form des Geschichtenerzählens, mit starker Partizipation (Mitwirkung und Mitgestaltung) der Zuhörer.
In einem Bibliodrama ist der genaue Ablauf und die damit verbundenen Entdeckungen stark von der Gruppe und den einzelnen Teilnehmern abhängig. Der Ausgang ist dementsprechend offen.
Studium des Textes
Ausgangspunkt bildet immer eine biblische Geschichte. Diese wird zuerst vom Leiter studiert. Um die historische und kulturelle Einbettung möglichst authentisch zu adaptieren wird es erforderlich sein, Sekundärliteratur (z.B. Bibellexika etc.) zu Rate zu ziehen.
In einer zweiten Phase wird die Geschichte den Kindern vorgelesen oder erzählt. Dabei ist es wichtig, genügend Zeit für Erklärungen aufzuwenden und als Hintergrundwissen weiterzugeben.
Verinnerlichung des Textes
In der Gruppe wird nun darüber ausgetauscht, welche Bilder der Text in den Zuhörern auslöst: Josef in der Dunkelheit der Zisterne. Oder festgebunden an das letzte Kamel während des Marsches nach Ägypten, usw.
Als zweiter Teil wird jetzt über die Gefühle bei den Zuhörern ausgetauscht: Wie hätten sie sich gefühlt als sich wehrender Josef? Als Ruben, der sich für den kleinen Schützling einsetzt? Oder als Karawanenführer, der das Geschäft des Monats wittert? Wut, Furcht, Zweifel, Begeisterung, Mitleid, Interesse, Verzweiflung, Trauer, usw. Bei den ersten Durchführungen von Bibliodramen ist dies der schwierigste, da persönlichste Schritt. Und gerade darum ein sehr wichtiger.
Während der Diskussionen überlegen sich die Zuhörer, welche Rolle sie im anschliessenden Spiel wahrnehmen möchten. Bei der Geschichte von Josef könnten dies beispielsweise folgende sein:
Josef, Juda, Ruben, andere Brüder als Mitläufer, ismaelitische Karawanenführer, Kamele, der pfeifende Wüstenwind, die kalte und dunkle Zisterne, usw.
Spielendes Erzählen
Nach der Rollenverteilung wird nun die Geschichte gemeinsam «erspielt». Jedes Kind darf seine Ideen einbringen. Die Leitenden achten auf Ordnung und dass die gespielte Geschichte bei der tatsächlich überlieferten Geschichte bleibt (Textnähe). Das ist wichtig, denn nur allzu schnell ist es passiert, dass wir vielleicht wichtige Passagen vergessen oder Dinge dazu erfinden, welche die eigentlichen Aussagen der Geschichte übertünchen oder gar verdrehen.
Die Leitung eines Bibliodrama muss sich vorgängig gut überlegen, was sie als Requisiten bereitzuhalten hat. Für die Josef-Geschichte währen dies beispielsweise:
- Steine für die Zisterne
- Sand oder Steine zur Nachstellung der Wüste Sinai (die Szene kann auch an einem Strand nachgestellt werden)
- Verschiedene Stoffe (Kleid des Josef, Handelsware)
- Stricke als Zaumzeug der Kamele
- Rote Farbe für das Ziegenblut
- Tücher für die Darstellung der Kamele
Abschliessende Reflexion
An den Schluss eines jeden Bibelspiels sollte ein Austausch über die Erfahrungen stattfinden. Dazu sind folgende Fragen eine Hilfe:
- Wie erlebtest du während des Spielens deiner Rolle?
- Welche Gedanken sind dir durch den Kopf gegangen, als du die anderen Teilnehmer beobachtet hast?
- Was ist uns wichtig geworden, was im eigentlichen Text nicht enthalten ist? Steht das im Einklang mit den Aussagen der Bibel?
- Was will uns Gott mit dieser Geschichte in UNSER Leben sagen?
Beispiel- und Ideenkiste für Bibliodramen
Im Folgenden findest du einige Gedankenanstösse zu verschiedenen Texten aus der Bibel, wie sie als Bibliodramen umgesetzt werden können.
Vom Sämann (Mark. 4, 3-9)
Rollen:
- Sämann (kann auch durch verschiedene Personen dargestellt werden)
- pickende Vögel
Materialien:
- Saatkorn
- heller Scheinwerfer (= Sonne)
- Dornen oder anderes Unkraut
- feuchte Erde
- Steine
- reife Ähren
Ideen zum Erfahren:
- auf den Weg stampfen
- mit dem Scheinwerfer bestrahlen
- mit den Dornen leicht kratzen
- mit den Händen durch die Erde streichen
Petrus im sinkenden Schiff (Matth. 14, 22-32)
Rollen:
- Petrus
- andere Jünger
- Jesus
Materialien:
- Wasser, nach Möglichkeit in einem Pool
- Schlauchboot
- eventuell Föhn
Ideen zum Erfahren:
- Sturm mit Geräuschen simulieren
- das Boot rütteln und schütteln
- über das Wasser zu gehen versuchen
Das letzte Abendmahl (Matt. 26, 14-29 und Joh. 13, 1-30)
Rollen:
- verschiedene Jünger
- Jesus
- Judas
Materialien:
- Wasser und Abtrocknungstuch
- Tisch mit Essen
- (ungesäuertes) Brot und Wein (Traubensaft)
- Kelch
Ideen zum Erfahren:
- Füsse waschen
- Festgelage
- Brot (hörbar endrücklicher ist es mit Zwieback) brechen
- Diskussion darüber, wer der Verräter sein wird
- Lieder singen
Nach der Rollenverteilung wird nun die Geschichte gemeinsam "erspielt".
Quellennachweis
- Inhalt und Bild:
Forum Kind Heft 4/05, Seiten 12 + 13. Vorgestellt wird „Bibliodrama“ ein Werkzeug mit dem sich biblische Geschichten besser erfahrbar machen.
© Copyright www.forum-kind.ch - Autor: Lori Keller
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