Falsche Vorstellungen?

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Falsche Vorstellungen

Geist gut - Welt böse:

Dem widerspricht die Inkarnation radikal. Jesus kam eben nicht als Geist in menschlicher Verkleidung in diese Welt, sondern in ihm wurde Gott selbst ein Mensch aus Fleisch und Blut. Das beweist, wie wichtig Gott die materielle Schöpfung nimmt. Wir dürfen die Inkarnation nicht einfach als das notwendige Vorspiel zum Kreuz betrachten, so als habe Jesus als Mensch auf die Erde kommen müssen, weil wir in menschlichen Körpern gefangene Sünder sind. Seine Menschwerdung war kein notwendiges Übel. Im Gegenteil, in seiner Inkarnation bejahte Gott ausdrücklich seine geschaffene Welt. Er wurde Mensch, weil er seine Schöpfung liebt und sich mit ihr identifiziert. In seiner Inkarnation gab Gott neu seiner Freude über seine Schöpfung Ausdruck: „Und Gott sah, dass es gut war.“

Ein Gott, der sich nicht um die Welt kümmert:

Wenn wir die Bibel ernst nehmen, müssen wir jede Andeutung zurückweisen, Gott sei viel zu hoch und erhaben, als dass er etwas mit der Welt zu tun haben könnte. Der Verfasser des Hebräerbriefes stellt eindeutig klar, dass die Welt nur deshalb fortbesteht, weil Christus sie von Tag zu Tag durch sein machtvolles Wort erhält:

„Am Ende der Zeit hat er (Gott) zu uns gesprochen durch den Sohn. Durch ihn hat Gott die Welt geschaffen. Darum hat Gott auch bestimmt, dass ihm am Ende alle Dinge gehören sollen. In dem Sohn Gottes leuchtet die Herrlichkeit Gottes auf, denn er entspricht dem Wesen Gottes vollkommen. Durch sein starkes Wort hält er das Weltall zusammen“ (Hebr. 1,2-3)

Die Inkarnation bedeutet aber noch mehr. Sie besagt, dass Gott sich durch seine Menschwerdung in den menschlichen  Alltag hinein gab. Indem er das alltägliche Leben ganz gewöhnlicher Menschen teilte, gab er ihm belebenden Wert und eine unermessliche Bedeutung.

Darüber hinaus ließ Jesus keinen Zweifel daran, dass seine Jünger seinem Vorbild, seiner Liebe zur Welt und ihren Menschen, nacheifern sollten. Wenn sie seine Nachfolger sein wollten, müssten sie auch lieben, wie er geliebt hatte. Glaube und „geistliche“ Erfahrungen seien nicht nur zur eigenen Erbauung und für eine private Frömmigkeit da. Der Heilige Geist würde seine Gaben nicht austeilen, damit die Beschenkten sich daran freuen könnten, wie man sich auch an anderen Geschenken freut. Nein, seine Gaben würden Dienstgaben sein, um andere damit zu stärken und zu unterstützen und um Gottes Gegenwart zu demonstrieren. Auch die Speisungs- und Heilungswunder Jesu haben eine inkarnatorische Bedeutung. Gewiss waren sie auch (aber nicht nur) Machtdemonstrationen, Zeichen, dass das Reich Gottes angebrochen war. Doch daneben bewiesen sie, dass das Irdisch-Materielle geliebt und ernst genommen werden sollte. Die Menschen sollten geheilt und mit Nahrung versorgt werden, weil sie in Gottes Augen wertvoll sind. Gott sorgte auch für ihre körperlichen Bedürfnisse, weil die Menschen nicht einfach verkörperte Geister sind, sondern ganze Personen, die als ganze Personen das Bild Gottes widerspiegeln.

> Gregor Palamas bemerkte dazu im 14. Jahrhundert:

„Das Wort „Mensch“ bezeichnet weder allein die Seele noch allein den Körper, sondern beides zusammen, sind sie doch gemeinsam im Bilde Gottes geschaffen. Die auf der Hand liegende Konsequenz  für unsere evangelistische Praxis  ist: Wenn Gott die Welt geliebt und sich mit ihr identifiziert hat, indem er ein Mensch aus Fleisch und Blut wurde, dann müssen auch wir sie lieben, und zwar nicht nur, um darin Seelen zu retten.“

 > Dazu noch einmal ein Zitat von Kenneth Lerch:

 „Wenn wir den Glauben an die Inkarnation ernst nehmen, ergibt sich daraus als wichtige Konsequenz, dass der geistliche Mensch die Welt weder verachtet noch fürchtet noch sich daraus zurückzieht. Nein, er muss von einer leidenschaftlichen und tiefen Liebe zur Welt erfüllt sein, sieht er doch in den materiellen Dingen der Welt Gottes Schöpfung und in den Menschen der Welt das Angesicht Christi.“

Kinder haben Geistesgaben

Wenn wir die Logik der  Argumentation  von Paulus begriffen haben, können wir nicht mehr denen zustimmen, die die Ansicht vertreten, Kinder sollten zu charismatischen Erfahrungen ermutigt werden. Die geistige und geistliche Reife, die Voraussetzung für den rechten Gebrauch der Geistesgaben ist bei Kindern nur in den allerseltensten Fällen vorhanden. Andere  „erbauen“ kann nur der, der seinen Zuhörern den Willen Gottes erläutern kann. Dazu sind aber eine wesentliche erwachsene Denkstruktur und reife geistliche Erfahrung nötig. Die Alternative wäre eine Lehre der „Inspiration per Gartenschlauch“:  Danach ist der Gabenträger dem Wirken des Geistes Gottes völlig passiv ausgeliefert. Er hat keinen Einfluss auf die Ausübung der Gabe. Gott kanalisiert seine Machtwirkungen einfach durch ihn, wie ein Gärtner Wasser vom Wasserhahn durch den Schlauch in den Garten leitet. In beiden Fällen hat der „Schlauch“ absolut keinen Einfluss darauf, was er transportiert. Er ist nichts als ein willenloses Werkzeug.

Tatsächlich haben viele Christen genau dieses Bild von der Ausübung der Charismen: Der Gläubige ist ein „Kanal“ für Gottes Macht, statt ein kreativer Partners Gottes, mit dem Gott zusammenarbeiten will. Wenn das stimmte, dann allerdings könnten Kinder ebenso gut Kanäle für die  göttliche Inspiration sein wie Erwachsene. Doch dann müssen wir diesen Gedanken auch konsequent zu Ende denken. Wenn charismatische Erfahrungen einfach darin bestehen, dass der Geist Gottes sich geistlicher Kanäle bedient – warum sollte er sich dann nur Erwachsenen und Kinder bedienen? Warum sollte er nicht (nach dem Vorbild von Bileam’s Esel) auch Tiere benutzen? Aber so ist das Wesen der Inspiration eben nicht. Weil sie dieser irrigen Ansicht waren, erhoben die Korinther das Zungenreden über alle anderen Geistesgaben. Indem Paulus sie jedoch so nachdrücklich aufforderte, ihren Verstand zu gebrauchen, und ihnen unmissverständlich zu verstehen gab, dass er selbst der Gabe der prophetischen Rede den Vorzug gab, wollte er offenkundig klarstellen, dass der Christ kein passives Instrument des Geistes Gottes ist, durch das der Geist seine Gaben wirksam werden lässt. Nein, die Gaben unterstehen der Kontrolle der Begabten und sind ihrem Willen unterworfen. Deshalb kann Paulus seine Leser auffordern, wenn im Gottesdienst kein Übersetzer zugegen sei, solle der Zungenredner schweigen, auch wenn er sich noch so sehr zum Reden in anderen Sprachen gedrängt fühle (14.28). Und deshalb kann er behaupten: „Wer Weisungen von Gott empfängt, hat es in seiner Gewalt, wann er sie weitergibt“. (14.32). Wenn es nicht so wäre, könnte Paulus sich ja seine Aufforderungen und Appelle in 1. Kor. 12-14 sparen. Warum an willenlose „Kanäle“ appellieren? Indem Paulus die Korinther zum Überdenken und zur Änderung ihrer charismatischen Praxis auffordert, behandelt er sie weder als passive Werkzeuge des Geistes noch als unmündige Kinder, sondern als reife Partner Gottes.

Quellennachweis

Titelbild: 

Clipart mit freundlicher Genehmigung des Verlages buch+musik ejw-service gmbh, Stuttgart  -  www.ejw-buch.de

aus:  Jungscharleiter Grafik-CD plus; Zweite überarbeitete Auflage 2002

© buch+musik ejw-service gmbh, Stuttgart

Inhalt und Literatur:

  • Wie Kinder glauben, Francis Bridger, Oncken Verlag Wuppertal und Kassel, © 1990 Bibellesebund Winterthur
  • Curdin Strasser

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