Zusammen bestimmt und gemeinsam gelebt
Ein Handschlag und der Kuhhandel ist beschlossene Sache. Wer sich nicht an solch unkomplizierte Abmachungen hält, hat bald ausgespielt. Sei er nun Bauer oder Viehhändler. Und im Sport? Aus dort müssen Abmachungen getroffen und eingehalten werden. Es geht ebenfalls um Ehre und Vertrauen.
Die Rede ist von „Commitments“
Es gibt viele problematische Situationen im Training, in denen ein Commitment die Lösung sein könnte. Zehn Fallbeispiele zeigen, wann und wie gemeinsam erarbeitete Abmachungen anzustreben sind.
Querschlägerin – Beachtung schenken
Situation:
In der Jugendriege herrscht seit Jahren ein gutes Klima. Doch eine Athletin stört den Trainingsbetrieb. Sie ist passiv, hält Termine nicht ein, äussert sich negativ.
Reflexion:
Jeder Mensch will beachtet werden. Störaktionen dienen oft dazu, Aufmerksamkeit zu erregen und Zuwendung zu erhalten. Das störende Verhalten der Athletin könnte als Basis dienen, um in der Gruppe über Verhalten, Trainingsfleiss und Engagement zu reden und einheitliche Massnahmen zu treffen.
Commitment
Der Trainer nützt ein gut besuchtes Training und konfrontiert die Jugendriege mit einigen „disziplinarischen Problemen“ aus seiner Sicht. Gemeinsam werden nun Grundwerte für den Trainings- und Wettkampfbetrieb diskutiert und Verhaltensweisen vor, im und nach dem Training in einer Absichtserklärung niedergeschrieben.
Weitere Konsequenz:
Eine solche Absichtserklärung bringt neuen Schwung und mehr Sicherheit in den Sportbetrieb. Die Gruppe entwickelt ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Übernahme einer Trainingssequenz /z.B. Einlaufen) als weitere Massnahme lässt „Störenfriede“ in die Haut des Trainers schlüpfen.
Alkoholismus – Vorgehen festlegen
Situation:
Vor einem schulinternen Spielturnier entdeckt die Sportlehrerin zwei Berufsschüler, die morgens früh im Restaurant eine Stange Bier trinken. Sie stellt die Lehrlinge zur Rede und fordert sie auf, sich vor dem Turnier bei den Sportlehrkräften im Lehrerzimmer zu melden.
Reflexion:
Die Schulordnung der Berufsschule besagt, dass „der Besitz, Verkauf und Konsum von Suchtmitteln oder anderen Substanzen, welche die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, verboten ist.“ Zwar fand das Vergehen vor dem Schulunterricht statt, dennoch beeinträchtigt Alkohol erwiesenermassen die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit.
Commitment:
Die Sportlehrerin bespricht im Lehrerkollegium den Fall. Sie beschliessen, eine allgemeingültige Vorgehensweise für solche und ähnliche Fälle zu erarbeiten, da dieses Problem schon mehrfach aufgetreten ist. „Was erwarten wir von den Schülern? Und wie können wir dem Fehlverhalten begegnen?“ So können fehlbare Berufsschüler je nach Grad des Vergehens aus dem Schulturnier ausgeschlossen oder im Turnierbetrieb als Schiedsrichter oder Schreiben eingesetzt werden. Notfalls sind der Arbeitgeber und die Eltern über die Situation zu unterrichten.
Weitere Konsequenz:
Auf einer zweiten Ebene kann zusammen mit den Schülern ein zusätzliches Commitment ausgearbeitet werden, wie sich Schüler bei Schulanlässen zu verhalten haben.
Neuling – Bräuche und Sitten kennen lernen
Situation:
Zu Beginn der Rückrunde tirtt ein Spieler einer anderen Nation und Kultur der Fussballmannschaft bei. Es zeigt sich schnell, dass er sich nicht wohl fühlt und Mühe hat, Freundschaften zu knüpfen.
Reflexion:
Gemeinsames Sporttreiben kann über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg eine verbindende und integrierende Wirkung haben. Neulinge möchten sich eingliedern, akzeptiert fühlen und dazu gehören. Dazu brauchen sie jemanden, der ihnen die Sitten und ungeschriebenen Verhaltensregeln näher bringt.
Commitment:
Der Captain erkennt die Situation und bespricht dies mit dem Trainer. Gemeinsam kommen sie zum Schluss, dass dem neuen Spieler ein „Götti“ zugeteilt werden soll, der ihm den eintritt in die Gruppe erleichtert. Im Gespräch mit dem Neuling entsteht die Idee, dass er der Mannschaft etwas aus dem Sport seiner Heimat und deren Umgangsformen erzählt.
Weitere Konsequenz:
Vertrauen wird nicht geschenkt. Vertrauen wird erarbeitet. Regelmässige Übungen mit Elementen des Tragens. Sich-fallen-Lassens, Gehalten-Werden oder andere teambildende Formen fördern das Vertrauen ineinander.
Überreaktion – Fairness verankern
Situation:
Die Handballspielerin will eine geahndete Regelwidrigkeit nicht akzeptieren. Sie ist aufgebracht und beleidigt den Schiedsrichter verbal. Dieser stellt sie darauf vom Platz.
Reflexion:
Handball ist ein körperbetontes Spiel und voller Emotionen. Dennoch ist faires Verhalten gegenüber Mitspielern, Gegnerinnen, Schiedsrichtern und Zuschauern wichtig und ein notwendiger Bestandteil jeder sportlichen Praxis. Spielerinnen, die ihre Emotionen nicht unter Kontrolle haben und Entscheide nicht akzeptieren können, schaden nicht nur sich selbst sondern auch dem ganzen Team (Schwächung, Strafe, Ausschluss), dem Verein und dem Sport (ansehen, Image).
Commitment:
Eine Gruppe bestehend aus der Vereinspräsidentin, den Trainerinnen und Trainern und dem Spielerinnenrat vereinbar eine fairness-Erklärung, wie sich Vereinsmitglieder auf dem Spielfeld zu verhalten haben (Vereinscharta). Diese wird in den Mannschaftsteilen, im ganzen Verein und nach aussen (Plakate, Vereinsorgan) kommuniziert.
Weitere Konsequenz:
Ausserhalb des Feldes (Training, Vorbereitung) hat jede Mannschaft ihre eignen Gesetze. Zum Beispiel handelt eine Nationalliga-Mannschaft nach andren Leitlinien als das Seniorenteam. Ergänzend zur Vereinscharata erarbeiten alle Mannschaften ihre zusätzlichen Verhaltensweisen.
Einzelkämpfer – Rituale pflegen
Situation:
Ein Unihockeyteam befindet sich in einer Niederlagenspirale. Der Trainerin fällt auf, dass jeder Spieler zu sehr für sich selbst kämpft und zu wenig an die Mannschaft denkt.
Reflexion:
Der Teamgeist ist ein entscheidender Faktor im Mannschaftssport. Das Gefühl „Wir gehören zusammen“ stellt sich nicht immer von alleine ein und kann beeinflusst werden. Rituale eignen sich zur Stärkung der Gruppendynamik und des Teamgeistes. Jugendliche sind kreativ genug, um selbständig ihre eigenen Rituale zu entwickeln. Die Trainerin braucht nicht einzugreifen. Harzt es, dann sollte jedoch die Bildung von Ritualen mit Anregungen unterstützt werden.
Commitment:
Im Gespräch mit den Spielern diskutiert die Trainerin, wie gewisse Rituale vor und im Spiel aber auch im Training positiv auf den Teamgeist, die Konzentration und das Spielgeschehen wirken können. Die Mannschaft erarbeitet drei Rituale, die je nach Spielsituation zur Stärkung des Zusammenhalts eingesetzt werden können. Die Trainerin schlägt noch ein viertes vor, das aus ihrer Sicht wichtig ist.
Weitere Konsequenz:
Auch die Trainerin und die Zuschauer können Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen, zum Teil mit störendem Effekt. Abmachungen mit der Trainerin (Auswechslungen, Time-Outs) und den Zuschauern (nicht dreinreden, positive Zurufe) können positv auf die Spieler wirken.
Lagerregeln – Gemeinsame Entscheidung
Situation:
Die Jugendabteilung des Leichtathletikvereins geht in ein einwöchiges Trainingslager.
Reflexion:
Spezielle Anlässe und Trainingslager hinterlassen einen bleibenden Eindruck und sind bei Jugendlichen sehr beliebt. Damit sie aber nachhaltig (physisch, psychisch und emotional) wirken, müssen sie gut vorbereitet sein. Die verschiedenen Ambitionen und Vorstellungen müssen unter einen Hut gebracht werden: Der Trainer will optimale Trainingsbedingungen, die Jugendlichen suchen Spass, Abwechslung und Abenteuer, die Eltern möchten Gewissheit haben, dass ihren Kindern nichts passiert.
Commitment:
Der Trainer lädt die angemeldeten Jugendlichen und ihre Eltern zu einem Gesprächsabend ein. Er informiert, wohin die Reise geht und was das Ziel des Trainingslagers ist. In einer gemeinsamen Diskussion werden die einzelnen Ansichten über die Trainingseinheiten, das Rahmenprogramm, die Verhaltensregeln im Lager, das Reisetransportmittel, die Finanzierung, etc. zusammen getragen. Die Verhaltensregeln werden als Commitment formuliert und von den Jugendlichen und ihren Eltern verabschiedet.
Weitere Konsequenz:
Was ist, wenn im Lager Grenzen überschritten oder Lagerregeln nicht eingehalten werden? Individuelle Erwartungen auszusprechen und eine gemeinsame Erwartungshaltung zu definieren, schaffen hierzu Klarheit.
Ausbeutung – Hin- statt wegschauen
Situation:
In der Gemeinde wurde schon lange über sexuelle Handlungen des Sportlehrers im Unterricht und in der Garderobe gemunkelt. Nach erbrachten Beweisen wurde er sofort von der Lehrtätigkeit freigestellt.
Reflexion:
Sexuelle Ausbeutung beginnt dort, wo ein Mensch seine sexuelle Erregung und Befriedigung sucht, ohne dass er auf die freie Zustimmung des Gegenübers zählen kann oder wo ein Abhängigkeitsverhältnis dazu ausgenutzt wird. Übergriffe sind nie eine einmalige Sache und dürfen nie entschuldigt werden. Das Gesetz regelt klart, was bei sexueller Ausbeutung geschieht.
Commitment:
Die Schulbehörde wird von sich aus aktiv. In Zusammenarbeit mit der Lehrerschaft, den Eltern und Gemeindevertretern wird ein Schulkodex „Wir schauen hin“ erarbeitet, der das Verhalten der Lehrkräfte und deren Zusammenarbeit mit den Schülern bestimmt. Alle Lehrkräfte verpflichten sich mit der Unterzeichnung der definierten Leitsätze, den Kodex einzuhalten. In der Gemeinde wird mit Podiumsveranstaltungen und Werbemassnahmen (Gemeindeblatt, Plakate) über die neuen Massnahmen informiert.
Weitere Konsequenz:
Da sexuelle Ausbeutung keine private Angelegenheit ist, sind Lehrerverbände aber auch Sportvereine und –verbände gefragt, klar Stellung zu beziehen, um ihren Lehrern, Trainerinnen und Athleten dadurch Rückhalt zu geben.
Rowdies – Klare Absage an Gewalt
Situation:
Während den Heimspielen kommt es in den Fanblocks regelmässig zu Ausschreitungen und nach Spielschluss zu Randalen ausserhalb des Stadions.
Reflexion:
Fans gehören zum Sport und sind wichtig für die Clubs. Gewaltbereite Zuschauer haben im Stadion aber nichts zu suchen. In ihrer Vorbildfunktion sind die Sportler gefordert, bei Vorfällen klar Stellung zu beziehen, denn die Prinzipien des Fairplay und des Respekts sollen gleichermassen für Akteure und Zuschauer gelten. Vereinbarte Verhaltens- und Spielregeln dienen dabei zur Unterscheidung zwischen akzeptierter Aggressivität und unerwünschter Aggression. Grenzüberschreitungen sind zu sanktionieren.
Commitment:
Die Clubverantwortlichen entwickeln eine Reihe von Massnahmen, die die Gewaltbereitschaft senken sollen. In einer Diskussionsrunde mit Repräsentanten der Fanclubs, des Vereinsvorstandes und des Spielerrates werden Commitments formuliert, wie sich die Spieler auf dem Feld, gegenüber den Fans und die Fans untereinander zu verhalten haben. Unter anderem wird beschlossen, dass sich die Mannschaft nach Spielschluss – egal ob Sieg oder Niederlage – bei den Fans bedankt. In einer Werbeaktion (Regionalfernsehen, Plakate) bekennen sich einzelne Spieler zu gewaltfreiem Sport.
Weitere Konsequenz:
In der Gewaltpräventation sind auch die Verbände – sei dies auf kantonaler oder schweizerischer Ebene – gefordert. Mit sozialpädagogischen Projekten (z.B. Fairplay-Kampagnen, Zusammenarbeit mit Fanprojekten) können sie positives Fanverhalten unterstützen, als „Peacemaker“ wirken und sich um Koordination und griffige Massnahmen bemühen.
Genuss- und Suchtmittel – Massvolle Vorbilder
Situation:
Die Mitglieder des Turnvereins treffen sich nach dem Training regelmässig in ihrem Stammlokal. Dem Jugendriegenleiter und dem Oberturner ist der zum Teil exzessive Konsum von Alkohol und Zigaretten ein Dorn im Auge.
Reflexion:
Der Sport (-verein) ist keine Sucht- und Genussmittel freie Zone. Gerade deshalb ist ein konstruktiver Umgang notwendig. Fragwürdige Rituale, die den Konsum von Genuss- und Suchtmitteln fördern, sind zu hinterfragen und durch andere Rituale zu ersetzen. Leitende, die einen dosierten Umgang mit legalen Suchtmitteln pflegen, wirken modellhaft auf (jüngere) Kollegen und spielen eine wichtige Rolle als Orientierungshilfen.
Commitment:
Die Männerriege hat direkten Einfluss auf das (Konsum-) Verhalten der Teilnehmer der Jugendriege und auf Neumitglieder. Der Oberturner diskutiert in der Männerriege die Problematik des Nachahmungseffekts der Jugendlichen. Gemeinsam formulieren sie in einer Absichtserklärung, dass im Stammlokal als erstes immer ein alkoholfreies Getränk bestellt und dass in Anwesenheit Jugendlicher nicht geraucht wird.
Weitere Konsequenz:
Zusammen mit dem Stammlokal wird ein vereinseigener, alkoholfreier Drink kreiert, der zu einem Spezialpreis abgegeben wird (günstiger als Alkohol). Des Weiteren beteiligt sich der gesamte Verein mit all seinen Riegen am nationalen Wettbewerb „Sport rauchfrei“.
Doping – Wir sind sauber
Situation:
Die Olympischen Spiele haben einige Dopingmissbräuche aufgedeckt. Eine Gruppe von leistungsorientierten Nachwuchsathleten ist darüber enttäuscht und setzt sich mit der Problematik auseinander.
Reflexion:
Doping ist ein Verstoss gegen den sportlichen Grundsatz des Fairplay und zwar sowohl im Spitzen- als auch im Breitensport. Es ist ein Betrug an sich selbst (gesundheitsschädigend), an den Teammitgliedern (evtl. Ausschluss), am Gegner, am Verein, Sponsor und an den Zuschauern.
Commitment:
Die Nachwuchsathleten vereinbaren gemeinsam, dass sie ohne Doping an die Spitze in ihrer Sportart gelangen wollen und starten das Projekt „Wir sind sauber!“ Darin unterzeichnen sie beispielsweise, dass sie die langfristige Gesundheit über kurzfristige Erfolge stellen, keine Dopingmittel und andere Medikamente zur Leistungssteigerung einnehmen, mit dem Trainer und Vereinsarzt die Dopingbestimmungen und –liste besprechen und einen idealen Trainingsplan erstellen (inkl. Erholungsphasen und Heilungsprozesse bei Verletzungen).
Weitere Konsequenz:
Aus dem vereinseigenen Projekt entsteht die Idee, an der nationalen Kampagne „cool and clean“ teilzunehmen.
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Quellennachweis:
Inhalt: Jugend+Sport, mobile 1, Dez. 2004, COMMITMENTS
Autoren: Ralph Hunziker, Anton Lehmann
copyright: www.mobile-sport.ch
Bild: www.juropa.net
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