Für viele Christen ist der Begriff «Endzeit» negativ besetzt. Sie bringen ihn mit Kriegen, Katastrophen und dem Antichristen in Verbindung. Stimmt diese Vorstellung mit dem Neuen Testament überein?
Endzeitmodelle
Zu allen Zeiten haben Christen versucht, die Aussagen der Bibel über die Zukunft zu verstehen und zu einem Ganzen zusammenzufügen. Daraus sind verschiedene Endzeitmodelle entstanden.
Prämillennialismus
Der Prämillennialismus (Jesus kommt prä = vor dem Tausendjährigen Reich) besagt, dass wir in der Endzeit leben und Kriege und Katastrophen zunehmen werden. Diese Sicht wird vor allem mit dem Buch der Offenbarung begründet. Christen, die prämillennialistisch denken, glauben nicht, dass es gross Sinn macht, sich in der Gesellschaft zu engagieren oder ökologisch nachhaltig zu leben, weil nach ihrer Auffassung die Welt bald in der Katastrophe enden wird.
Postmillennialismus
Der Postmillennialismus (Jesus kommt post = nach dem Tausendjährigen Reich) ist optimistischer. Seine Vertreter glauben, dass es noch viele positive Entwicklungen geben wird, bis Jesus wie- derkommt. Das Reich Gottes werde sich wie ein Sauerteig auf der ganzen Welt ausbreiten (Matth 13,33). Wer postmillennialistisch denkt, engagiert sich in der Regel stärker sozial oder politisch als prämillennialistisch Denkende.
Amillennialismus
Der Amillennialismus (a = kein Tausendjähriges Reich auf Erden) steht zwischen den beiden ersten Modellen. Es handelt sich um eine ausgewogene Sicht, in der davon ausgegangen wird, dass positive und negative Entwicklungen die Endzeit prägen werden.
Zu unterschiedlichen Zeiten waren einmal das eine, dann das andere Modell populär.
Die Eschatologie (Lehre von der Endzeit) der frühen Kirche war bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. prämillennialistisch gefärbt, allerdings mit Abweichungen zum heutigen Modell des Prämillennialismus.
Die Eschatologie der Reformatoren (Luther, Calvin) war dezidiert amillennialistisch. Bis heute ist der Amillennialismus das am weitesten verbreitete Modell.
Die Eschatologie der Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts war fast durchwegs postmillennialistisch geprägt.
Warum diese Unterschiede? Unterschiedliche Zeiten brachten unterschiedliche Bedürfnisse und Fragen hervor und führten aus der jeweiligen Perspektive zu unterschiedlichen Antworten. Daran zeigt sich, dass die Situation in der wir uns befinden, unser Verständnis von der Bibel immer mit prägt.
Stresstest Antichrist
Jeder Christ ist – bewusst oder nicht – von einem der genannten Modellezumindest beeinflusst. Das zeigt sich beispielsweise an der Identität des Antichristen.
Frage: Wo in der Bibel ist vom Antichristen die Rede? Wenn ich diese Frage stelle, antworten die meisten, dass das irgendwo im Buch der Offenbarung der Fall ist.
Die Antwort ist falsch! Im Buch der Offenbarung kommt der Ausdruck «Antichrist» nicht vor (ausser in den Über- titeln einiger Bibelausgaben. Übertitel sind aber vom Herausgeber gesetzt und nicht Teil des inspirierten Bibeltextes). In Offb 13 kommen zwei Tiere vor, aber sie werden nicht als Antichristusse bezeichnet. Auch Paulus hat den Begriff nie gebraucht.
Wenn deine Antwort war «in der Offenbarung», dann bist du wahrscheinlich vom Modell des Prämillennialismus geprägt, denn in diesem Modell spielt der Antichrist eine wichtige Rolle.
Übrigens kommt das Wort «Antichrist» in der Bibel nur gerade in den Briefen des Johannes vor und das Bild, das Johannes vom Antichristen zeichnet, unterscheidet sich stark von gewissen heutigen Ansichten. Gemäss Johannes war der Antichrist eine Irrlehre, die sich gegen (anti) Christus richtete, die in den Gemeinden am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. Verbreitung gefunden hatte.
Endzeit
Unter «Endzeit» verstehen viele Christen die letzten Jahre vor der Wiederkunft Jesu. Manche sind der Ansicht wir lebten bereits in ihr.
Das Neue Testament widerspricht dieser Auffassung. Gemäss den Autoren des Neuen Testamentes ist mit dem ersten Kommen von Jesus die Endzeit bereits angebrochen (1. Petr 1,18-20; 1.Tim 4,1-2; Hebr 1,1-2). Die ganze Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen von Jesus ist Endzeit. Denn Jesus hat gesiegt und nun ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Gott die Geschichte zu ihrem Ende führen wird. Es ist keine Frage der Macht mehr, weil Satan besiegt ist. «Endzeit» sollte darum für Christen auch einen hoffnungsvollen Charakter haben.
Was geschieht in der Endzeit?
Die verschiedenen Endzeitmodelle unterscheiden sich zum Teil stark voneinander. Doch sie haben die folgenden Überzeugungen gemeinsam:
- wird die Zeit bis zur Wiederkunft von positiven und negativen Entwicklungen geprägt sein. Gut und Böse reifen nebeneinander aus bis zur Wiederkunft (Matth 13,24-30).
- wird das Evangelium allen Völkern verkündigt werden ehe Christus wiederkommt (Matth 24,14). Erst nachher kann das Ende kommen.
- wird Jesus sichtbar und mit Macht auf diese Erde zurückkehren (Joh 14,3).
- müssen sich alle Menschen aller Zeiten vor Gott verantworten. Gott wird die Menschen richten und Gerechtigkeit auf Erden schaffen (Joh 5,28-29).
- wird Gott Himmel und Erde neu schaffen und den gesamten Kosmos zu seiner eigentlichen Bestimmung führen (Offb 21,1).
Diese Dinge sind völlig klar und eindeutig in der Bibel. Alles andere wird schnell einmal zur Spekulation und dar- über dürfen auch verschiedene Meinungen bestehen.
Endzeit und Gegenwartsgestaltung
In der Bibel wird oft darauf hingewiesen, dass unser Wissen um Gottes zukünftiges Handeln uns nicht lähmen darf. Es soll uns vielmehr in Bewegung setzen. Einige Beispiele:
Matth 25,30-46: Wenn Jesus wiederkommt, wird es nicht nur um unseren Glauben gehen, sondern ebenso darum, dass wir uns den Armen und Bedürftigen zugewendet haben. Wer sich nicht um sie kümmert, läuft Gefahr, von Jesus verstossen zu werden. Lies den Text einmal – Originalton Jesus kann erschütternd sein!
2. Thess 2,16-17: Paulus bittet Gott, dass er den Thessalonichern Kraft zu jedem guten Werk und Wort gebe. Die Thessalonicherbriefe stehen ganz im Zeichen der Wiederkunft. Paulus wollte nicht, dass die Thessalonicher über die Zukunft spekulierten, sondern dass sie Gottes Werke tun.
Titus 2,11-14: Paulus ermahnt, Christen sollen alles daran setzten, in der Welt Gutes zu tun.
Das Wissen um Gottes Handeln in der Zukunft sollte uns beflügeln, denn Gott liebt diese Welt (Joh 3,16). Er hat sie nicht aufgegeben und wir sollten es auch nicht tun. Das Unkraut wächst (Böses breitet sich aus). Aber vergessen wir nicht, dass auch der Weizen (Gutes) wächst (Matth 13,24-30)! Endzeit ist aus neutestamentlicher Sicht auch Hoffnungszeit und Missionszeit. Wie lange sie dauert und wann Christus wieder- kommt, bleibt Gottes Geheimnis. Unterdessen gilt es hoffnungsvoll nach vorne zu blicken. Es gibt viel Gutes zu tun in der Welt – packen wir es an!
Quellennachweis
- Inhalt und Bild: Forum Kind Heft 3/11, Seiten 9 + 10. Auf der Suche nach biblischen Aussagen zum Thema „Endzeit“. © Copyright www.forum-kind.ch
- Autor: Dr. Roland Hardmeier
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